- Medizinnobelpreis 1992: Edmond Henri Fisher — Edwin Gerhard Krebs
- Medizinnobelpreis 1992: Edmond Henri Fisher — Edwin Gerhard KrebsDie beiden Amerikaner erhielten den Nobelpreis für die Entdeckung der Mechanismen, die die Stoffwechselvorgänge in Organismen steuern.BiografienEdmond Henri Fischer, * Schanghai (China) 6. 4. 1920; 1944 Abschluss des Chemie- und Biologiestudiums in Genf, 1948-50 wissenschaftliches Mitglied der Schweizer Nationalstiftung, 1950-53 Privatdozent an der Universität Genf, 1953 Übersiedlung in die USA, ab 1961 Professor für Biochemie an der Washington University in Seattle.Edwin Gerhard Krebs, * Lansing (USA) 6. 6. 1918; nach dem Chemiestudium 1943 Promotion in Medizin, ab 1948 Professor an der Washington University in Seattle, ab 1968 an der University of California in Davis, 1977-88 wieder in Seattle.Würdigung der preisgekrönten LeistungTausende von Proteinen nehmen an dem komplexen Zusammenspiel innerhalb einer Zelle teil. Sie sind die Werkzeuge, die die Reaktionen und Aktivitäten des lebenden Organismus ausführen. Ihr Zusammenwirken ist streng geregelt. Einer der wichtigsten Regelmechanismen ist die reversible Proteinphosphorylierung, bei der Phosphatgruppen enzymatisch in mehreren Stufen an Proteine angehängt oder von ihnen getrennt werden. Die Preisträger haben das erste Enzym dieses Regeltyps in reiner Form dargestellt und charakterisiert. Ihre fundamentale Entdeckung begründet einen Forschungsbereich, der heute permanent an Bedeutung gewinnt.Muskeln wiesen den WegDie Phosphorylierung verändert sowohl die räumliche Anordnung der Aminosäurensequenz, die so genannte Konformation, als auch die Ladung des Proteins. Auf diese Weise kann sich die biologische Funktion eines Proteins ändern und seine Aktivität verschiedene Grade annehmen. Da die Phosphate auch wieder abgespalten, das Protein dephosphoryliert werden kann, spricht man von reversibler Phosphorylierung. Fischer und Krebs haben bereits in den 1950er-Jahren das erste Protein charakterisiert, dessen Aktivität von diesem enzymatischen Mechanismus kontrolliert wird. Entdeckt haben sie die reversible Phosphorylierung beim Studium spezieller Muskelproteine.Muskeln bestehen aus einer großen Zahl von Zellen, die sich zusammenziehen und wieder entspannen können. Damit ein ruhender Muskel seine Arbeit verrichten kann, benötigt er Energie in Form von Glucose. Glucose oder Traubenzucker wird aus Glycogen freigesetzt, der Speicherform im Körper. Das Glycogen wird außer in den Muskeln auch in der Leber gespeichert. Aktive Muskeln aktivieren blitzschnell ihr Glycogendepot und wandeln es in den Brennstoff Glucose um. Um dies zu bewerkstelligen, nutzt der Körper ein spezifisches glycogenabbauendes Protein, die Phosphorylase. Dieses Enzym war von dem Ehepaar Cori (Nobelpreis 1947) entdeckt worden.Als Fischer und Krebs mit ihrer Arbeit begannen, war bekannt, dass die Phosphorylase durch kleine Moleküle gesteuert wird, doch noch nicht, durch welche. Die Forscher konnten nachweisen, dass das Enzym nach einem bis dahin unbekannten Prinzip von der inaktiven in die aktive Form übergeht, indem die energiereiche Verbindung ATP (Adenosintriphosphat) eine Phosphatgruppe auf das Protein überträgt. Die beiden Wissenschaftler konnten außerdem zeigen, dass dieser Prozess von dem Enzym Proteinkinase katalysiert wird.Auf- und Abbau regeln die AktivitätWährend die Proteinkinasen Phosphatgruppen an die Proteine binden, spalten die Phosphatasen diese wieder ab. Das Enzym, das das Glycogen zu Glucose abbaut, wird somit durch zwei weitere Enzyme — Kinase und Phosphatase — reguliert, die in diesem reversiblen Prozess entgegengesetzt arbeiten und über ihre jeweilige Aktivität die Glucoseproduktion regulieren. Mit dieser fundamentalen Studie haben Fischer und Krebs gezeigt, wie die Proteine in den Muskelzellen sehr schnell Energie bereitstellen. Bei der Aufklärung des Vorgangs wurde nur Schritt für Schritt offenbar, dass die Proteinphosphorylierung ein fundamentaler Prozess ist, der alle zellulären Prozesse beeinflusst. Edwin Krebs konnte zum Beispiel zeigen, dass die Wirkung des cAMP (zyklisches Adenosinmonophosphat) von einer spezifischen Proteinkinase reguliert wird. Das von dem amerikanischen Physiologen Earl Wilbur Sutherland (Nobelpreis 1971) entdeckte cAMP wird als Reaktion auf eine große Zahl von Hormonen und molekularen Signalen gebildet.Das Stresshormon Adrenalin, bereits 1897 von dem amerikanischen Biochemiker John Jacob Abel isoliert, vermittelt den Glycogenabbau in der Leber. Die entstehende Glucose wird ins Blut ausgeschüttet und liefert Muskeln und Herz die zur Stressbewältigung notwendige Energie. Beim cAMP wirken verschiedene Hormone über ein in der Membran der Rezeptorzelle lokalisiertes Enzymsystem, die Adenylatcyclase, die ATP in cAMP umwandelt. Das cAMP stimuliert Proteinkinasen, die ihrerseits die Phosphorylase aktivieren, die wiederum in den Glycogenabbau eingreift. Das erklärt, wie ein Hormonsignal, wie es zum Beispiel die Adrenalinausschüttung darstellt, sehr schnell zur Mobilisierung des Zuckers führen kann. Die serielle Proteinphosphorylierung arbeitet als biologisches Verstärkersystem.Die Erkenntnisse von Fischer und Krebs provozierten die Entdeckung immer weiterer Proteinkinasen. Vermutlich codierten ein Prozent der menschlichen Gene für Proteinkinasen. Das unterstreicht die Bedeutung dieser Enzyme, die die Funktion eines großen Teils der Proteine in der Zelle regulieren. Zu diesem System zählen auch die vielen Phosphatasen, die in Opposition zu den Kinasen stehen.Die Bedeutung der Entschlüsselung des Prinzips der reversiblen Phosphorylierung ist sehr groß. Beispielsweise werden bei Infektionen des Immunsystems durch körperfremde Stoffe Antigene aktiviert. Die Antigene werden von Makrophagen verschlungen und zu bestimmten Oberflächenstrukturen transportiert, wie es von Baruj Benacerraf, Jean Baptiste Dausset und George Davis Snell (alle Nobelpreis 1980) beschrieben worden ist. Spezielle Lymphozyten treten über Oberflächenproteine mit den Makrophagen in Kontakt und erkennen die Antigene. Fischer konnte zeigen, dass diese Proteine wie Phosphatasen funktionieren. Sie bilden den Beginn einer Reaktionskaskade phosphorylierender Kinasen und dephosphorylierender Phosphatasen. Am Ende steht eine größere Zahl aktivierter spezifischer Lymphozyten, um die Infektion zu bekämpfen.Zufall und NotwendigkeitEdmund Fischer war die Wissenschaftlerkarriere nicht in die Wiege gelegt worden. Sein Vater war ein Jurist und Kaufmann aus Wien. Seine Mutter stammte aus Frankreich. Deren Vater, ein Journalist, verließ Frankreich aus Protest gegen die Dreyfus-Affaire und ging nach Hanoi und später nach Schanghai. Dort wurde der kleine Edmund geboren. Mit sieben Jahren schickten ihn seine Eltern gemeinsam mit seinen beiden Brüdern nach Genf in ein Internat. Unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs entschied er sich, als Wissenschaftler die Krankheiten dieser Welt zu kurieren. Doch zunächst ging er ans Genfer Konservatorium, um Musik zu studieren. Nach einer nervösen Demonstration von Mendelsohns »Rondo Capriccioso« entschied er sich doch für die Chemie. Um seine Kenntnisse der Enzymologie zu vertiefen, entschloss er sich, 1950 in die USA zu gehen. Das gelang ihm erst auf Empfehlung des Schweizer Biochemikers Paul Karrer (Chemienobelpreis 1937).Edwin Krebs interessierte sich zunächst für Geschichte. Für die Naturwissenschaften entschied er sich weniger aus Neigung, sondern vielmehr weil er in der schwierigen Zeit der Depression das Gefühl hatte, in diesem Bereich ein sicheres Einkommen erzielen zu können. Zur Biochemie kam er eher zufällig.U. Schulte
Universal-Lexikon. 2012.